1982
Es war ein Dachgeschoss mit niedrigen
Decken und es gab nur ein rechteckiges
und flaches Spülbecken mit einem Fünf-Liter-Boiler
das sah aus wie in einer Werkstatt
Das Zimmer war so ungefähr 15 Quadratmeter
mit einer schrecklich bunten Mustertapete
aus den 70ern und ich hörte dort Musik,
aß, schlief, trank, rauchte und fickte.
Weil es keinen Herd gab, wärmte ich mir
die Konserven auf dem Ofen auf, für den
ich die Kohlen aus dem Keller hoch schaffte
wenn welche da waren.
Ab und zu ging ich aufs Klo und lief
dazu durchs Treppenhaus, wo
es im Winter saukalt war und auf dem
Scheißhaus gab es auch keine Heizung
Der schwarzweiße Röhrenfernseher lief nur
wenn man mit der Faust auf die richtigen Stellen schlug
und brauchte eine Stunde bis er ordentlich lief
aber ich las auch viel was ich so fand
Wenn ich mal duschen oder baden wollte
lief ich bis zur Haltestelle am Markt
setzte mich in den Bus und fuhr zum Stadtbad
wo man für zwei Mark zwei Stunden Zeit hatte
Ich kratzte das Geld aus dem Nichts zusammen
hatte Streit mit den Nachbarn
war in Unfälle verwickelt
verlor mein Geld und hatte Krankheiten
und so ging es
weiter und weiter
und es war eine der
herrlichsten Zeiten
meines Lebens
***
DREI TRÄUME
Ich habe seit Jahrzehnten drei wiederkehrende Träume, von denen ich einfach nicht weiß, was ich davon halten soll.
Im Ersten habe ich ein Haustier, es ist ein Hase oder ein Hamster, ein Meerschweinchen und manchmal auch ein Igel und ich freu mich drüber und kümmere mich rührend drum, aber dann kommt irgendwas dazwischen, wo ich vergesse das Tier zu füttern und nach einer Woche oder zwei fällt mir das wieder ein und ich denke an das arme durstige und hungrige Tier, renne nach Hause, vor Schrecken und Angst und Wut über mich selbst wie von Sinnen. Manchmal ist es tot. Und manchmal nur noch ganz schwach und fast verhungert.
Im Zweiten hab ich mich damit abgefunden, dass ich die Klasse nicht schaffe und nicht versetzt werde, komme in den Jahrgang danach und alles geht wie von selbst, weil ich den Unterrichtsstoff schon kenne, alle mögen und bewundern mich weil mir alles so leicht fällt und am Ende des Schuljahres stellt sich heraus, dass ich das Jahr schon wieder nicht schaffe, weil ich zum Beispiel den ganzen Stoff in Biologie nicht aufholen kann, denn da hatte ich schon im Vorjahr immer gefehlt und ich kann mir das nicht eingestehen und den anderen gegenüber auch nicht. Manchmal werde ich schon wieder nicht versetzt. Und manchmal komme ich nur noch gerade so durch, weil ich den Prüfer anflehe.
Im Dritten gelingt es mir wie selbstverständlich zu fliegen, weil ich nämlich einfach nur die Arme ausbreiten muss und wenn ich mich nach vorne fallen lasse, muss ich nur auf bestimmte Weise ein bisschen Luftdruck unter meine Arme schaufeln und dann fliege ich so hoch ich will, einfach los, schaue mir die Gegend an oder erledige was auf Dächern oder Bäumen, denn ich kann zehn oder hundert oder tausend Meter hoch, es ist fantastisch und alle bewundern mich und ich weiß ganz genau, dass all die anderen das auch könnten wenn sie nur wüssten wie es geht, aber nur ich kenne das Geheimnis. Manchmal lande ich aber ziemlich unsanft, weil ich mich nicht konzentriere. Und manchmal stelle ich fest, dass ich keine Unterhosen anhab‘, ausgerechnet dann komm ich auch kaum hoch.
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KEIN GLÜCK IM SPIEL
Dieses Lottospielen hat mir nie Glück gebracht, es
war immer nur verschwendetes Startgeld und ich
brachte es nie zu einem nennenswerten Gewinn.
Ich erinnere mich noch, dass meine Oma immer
zur Lottostelle ging und jede Woche ihre Zahlen
tippte, mal hatte sie Glück, mal hatte sie Pech.
Aber immerhin kriegte sie ihren Einsatz noch im
Ungefähren raus, während ich immer nur drauf
zahlte, bis auf ein einziges Mal, das erste Mal.
Ich war schon zwanzig und investierte sechs Mark
als ich zum ersten Mal spielte und gewann etwa
fünfzehn hinzu und für die nächsten 30 Jahre war’s das.
Danach hab ich es noch ungefähr zwei Dutzend mal
probiert und immer verloren, ganz egal was ich an
Systemen ausprobierte oder was ich einzahlte.
Allerdings finanzieren die Einnahmen ja auch
Kultur, Sport, Umwelt und Jugend und man
kann durchaus sagen, dass ich ein großer Förderer war.
Und das ist wichtig, wenn man bedenkt, dass nur
jeder Vierte weiß, wie man „Apokalypse“ richtig
schreibt.
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