Hit the road, Buchhalter! (2)

Aus der Serie: Die Abenteuer mit dem Buchhalter; Teil 2: Wir heben ab.

Hier geht es zum ersten Teil!

Der Buchhalter musste die Katze füttern. Bis dahin waren wir noch damit beschäftigt, die Badewanne auszulösen. Und das bedeutete einen ordentlichen Fußmarsch zum städtischen Polizeirevier, damit wir uns diesen Wisch besorgen. Auf dem Weg dorthin war glücklicherweise niemand von der Gewerkschaft zur Einhaltung der Rauchpausen unterwegs, also schafften wir den Weg zurück in weniger als dreißig Minuten. Das Haus der "Politie" sah aus wie jedes andere in der Gegend, außer dem Leuchtschild vor der Tür war es durch nichts von anderen zu unterscheiden. Ein schmaler Eingang, schmale Fenster im Backsteinbau und innen hohe Treppenstufen zur Polizeietage. Im Erdgeschoss war überhaupt nichts außer der Treppe und einer weiteren nach unten. Es hätte genauso gut die Wohnung eines Dealers sein können oder eines der Puffs im Rotlichtviertel nebenan. Wir stiefelten hoch. Oben angekommen, antwortete niemand, als wir anklopften.

Ich sah den Buchhalter an, der für solche Situationen eine diplomierte Gefahrennase hatte, erkannte aber keinerlei Gefahr. Ich erinnerte mich kurz an den Augenblick, als ich in Rom ein Polizeirevier betrat und mich hinter der Tür zwei Militärpolizisten mit gezogenen Maschinenpistolen erwarteten. Dann drückte ich die Klinke und wir traten ein. Niemand war zu sehen. "Hallo", rief ich, "jemand da"? Der Buchhalter folgte mir mit der gleichen Selbstverständlichkeit, mit der man früher nach dem Telefongespräch in die Münzrückgabe griff. Die Polizeiwohnung war leer. Keine Menschenseele zu sehen. Wir liefen den Flur entlang bis zum Ende und betraten den einzigen Raum ohne Tür. Da saß dann einer, der mich eher an einen der Hooligans hierzulande erinnerte, aber er gehörte eindeutig zum Verein, denn er trug eine Uniform. Ich begann, ihm unser Problem auf englisch näherzubringen. Er hörte sich zweieinhalb Sätze an, stoppte mich mit einer eindeutigen Handbewegung und zeigte dann er auf den Stapel vor sich. "Shut up. Fill out. Sign." – "Total abgefahren!" rief der Buchhalter laut aus. Ich schaute ihn an und gab ihm damit die Gewissheit, dass er das gerade laut ausgerufen hatte. Das gehörte zu unseren Abmachungen.

Ich nahm mir eins der Formulare, setzte meinen Namen da rein, unterschrieb und er haute einen Stempel drauf. Das war sein Job. Und wir hatten das Papier. Dann kehrten wir wieder um zum Abschleppmeister. Als ob er uns noch nie gesehen hätte, sagte er wieder "Ausweis. 120 Gulden". Ich gab ihm den Ausweis. Und das Papier. Er musterte es und war zufrieden. "Seventyseven", sagte er. Ich war versucht, ihm "Sunsetstrip" zu antworten, ließ es aber. Der Buchhalter und ich liefen zur 77 und holten die Badewanne ab. Inzwischen war es stockdunkel und die Katze hatte sicher großen Kohldampf. Es waren 600 km bis nach Hause, wir hatten einen halbvollen Tank, ein halbes Päckchen Zigaretten, einen Acht-Gramm-Klotz feinsten schwarzen Afghanen, es war dunkel und wir trugen keine Sonnenbrillen. "Tritt drauf" – sagte der Buchhalter.

Ich steuerte die Badewanne zur Autobahn und versprach dem Buchhalter noch vor Sonnenaufgang den verdammt besten Schiss seines Lebens. Kurz vor der Grenze, es war gegen Mitternacht, steuerte ich einen der Rastplätze an. Wir räumten die Badewanne auf in der Hoffnung, die übliche Kontrolle umgehen zu können. Im Kofferraum lag die komplette Zeltausrüstung des letzten Urlaubs, was mir aber erst jetzt auffiel. Ich säuberte den Rücksitz, legte für alle Fälle den Klotz auf das Armaturenbrett und bat den Buchhalter, den Lesetisch hochzuklappen und sich anzuschnallen. Wie immer wurden wir schon bei der Anfahrt aussortiert! Man muss sich das Szenario mal vor Augen führen: Vor uns achtzehn Autos am Stück, darunter die glänzendsten und größten Karossen, wurden wie selbstverständlich durchgewunken. Es war, als ob "Bitte uns auseinander nehmen" auf der Karre stand. Jedes Mal das gleiche Procedere. Ich atmete tief durch, nahm den Klotz in den Mund und kaute darauf rum wie auf einem Kaugummi. Das war meiner Erfahrung nach der einfachste Weg, die Sache abzukürzen. Ein hypernervöser Zöllner streckte seine Birne in die Badewanne und rief "Aussteigen – Kofferaum öffnen". "Jedes Mal der gleiche Mist", zischte ich dem Buchhalter zu, der aber erstaunlich gelassen blieb. Der Zollmensch schleppte meine ganze Zeltausrüstung ins Haus und begann, sie dort auseinander zu nehmen. Wir warteten im Flur und sahen ihm zu. Die Sache mit dem Kaugummi lief perfekt wie immer. Ich hatte die Rolle selbst schon so adaptiert, dass ich sie perfekt mimte. Im Flur stand ein Kaffeeautomat, der für einen Gulden einen erstaunlich guten Espresso hergab. Während ich die heiße Brühe schlürfte, bemerkte ich meinen Fehler. Der Klotz in meinem Mund begann, sich mit dem Espresso langsam aufzulösen.

Irgendwann wurde auch dem Beamten klar, dass er nicht die Dealer des Jahres, sondern nur zwei Haschbrüder ohne Stoff gefangen hatte und fing an, unser Zeugs wieder einzupacken. An dieser Stelle sei erwähnt, dass ich die Fähigkeiten des Buchhalters oftmals unterschätzte. Ich schaute ihm begeistert dabei zu, wie er den Zöllner beim Einpacken gestenreich anleitete, obwohl er davon keinen blassen Schimmer hatte. Dann aber kam der Moment, der den Rest der Woche verändern sollte. Es war wie eine Szene in einem Film mit Louis de Funés, die man nicht besser schneiden könnte: Der Zöllner sah mich an. Ich stoppte reflexartig das Kauen. Dann sah er auf die Zeltstangen und blickte wieder auf mich zurück. Ich fühlte mich augenblicklich ertappt und schluckte den Klotz runter. Acht Gramm feinster schwarzer, afghanischer Stoff verschwand gerade in meiner Speiseröhre….

Ob die Katze es wirklich bis zu unserer Rückkehr durchhielt, verrate ich in Teil 3

Teil 3

 

 

 

 

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