Mein Leben als Detektiv (1)

Das Geld ging zur Neige. Es war mal wieder Zeit für einen neuen Job. Kraftfahrer gesucht – das hatten wir schon. Verkäufer für dies, Verkäufer für das – so was hatte ich nicht drauf und viele andere wohl auch nicht, sonst wären die Stellenanzeigen nicht so voll davon. Tiere betreuen, irgendwo putzen, auf dem Bau arbeiten, das war mir alles zu anstrengend. Es waren die Neunziger. Die Arbeitslosenquote lag bei stabilen zehn Prozent und wer wirklich was auf die Seite schaffen wollte, der musste sich mächtig reinhängen und das wollte ich nicht. Arbeit nervte. Es musste was sein, was man ab und zu machen könnte, aber es dürfte auf keinen Fall Überhand nehmen. Nicht übertreiben!

Dann las ich diese seltsame Anzeige und dachte sofort an einen bequemen Job, bei dem ich im Auto sitzen, Musik hören konnte und ab und an eine rauchte. Gegen Abend eine Dose Bier knacken und morgens den Bericht abliefern, das wäre doch genau mein Ding. „Haben Sie Ahnung was Detektive so machen?“, fragte mich die Frau am Telefon. „Klar sagte ich, da kenn‘ ich mich aus. Viel Geduld beweisen und so“. „Kommen Sie morgen in mein Büro, dann erkläre ich Ihnen alles“. Na also, dachte ich, geht doch mit dem neuen Job. Zur Feier des Tages stellte ich mir ein paar Dosen Bier kalt und lieh mir in der Videothek einen guten Detektiv-Film aus.

Am nächsten Tag war ich pünktlich an der verabredeten Adresse und sie fragte mich, wo ich bisher so eingesetzt war. Ich konnte mit der Frage nichts anfangen, aber weil ich den Job unbedingt wollte, improvisierte ich was. „Ich war bei den ganz üblen Adressen“, sagte ich, „ich war hier und ich war dort, aber in diesen miesen Vierteln kenne ich mich wirklich aus“. Sie schaute mich prüfend an. „Drogeriemärkte?“, fragte sie. „Natürlich“, sagte ich. „Da ganz besonders“. Es war das wohl seltsamste Vorstellungsgespräch aller Zeiten. Ich tat so, als hätte ich Ahnung, ohne zu wissen worum es überhaupt geht. Hauptsache es brachte Geld und hatte nichts mit Malochen zu tun, dachte ich. Und sie hielt sich für ausgefuchst genug, die richtigen Fragen zu stellen und interpretierte meine Antworten als passend. Aber sie ließ auch nicht locker. „Sie wissen also, welche Techniken Diebe anwenden?“ – „Ich kenne beide Seiten des Spiegels“, sagte ich. das hatte gesessen.

Drei Tage später stand ich im Baumarkt und stellte mich beim Marktleiter vor. Insgeheim hoffte ich, dass es noch diese ganz speziellen Aufträge geben würde, wo ich einfach im Auto sitzen bleibe und irgendwas beobachte. Ich müsste mich hier nur bewähren und dann würde es schon werden. Ich sprach mich mit den Mitarbeitern ab, wie es ablaufen sollte und dann ging ich im Baumarkt spazieren, prägte mir den Standort der Artikel und die Preise ein, hielt hier und da ein Schwätzchen mit den Verkäufern und versuchte mich, zurecht zu finden. Noch am gleichen Abend rief die Frau wieder an und fragte, ob ich schon einen gefangen hätte.

Am nächsten Tag kam mir der Zufall zuhilfe. Ich schaute mir gerade die Stichsägeblätter an und dann kam einer vorbei, nahm sich ein Päckchen vom Haken und als er um die Ecke verschwand, dachte ich mir, den kannst du ja mal als Versuchskaninchen nehmen. Stichsägeblätter waren ideal zum Klauen. Sie hatten einiges an Wert, waren schön flach und die Packung war kleiner als ein Briefumschlag. Und tatsächlich reihte ich mich als Übernächster an der Kasse hinter ihm ein und er wuchtete einen Farbeimer und drei Pinsel aufs Band, aber keine Sägeblätter. Ich wartete den Bezahlvorgang ab, wie es verabredet war und dann sprach ich ihn an. „Ich glaube, Sie haben vergessen was zu zahlen, stimmt’s?“ Er war der erste Fang und er war der Einfachste, den ich in den nächsten Wochen hatte. Er gab alles sofort zu und kam ohne Zicken mit, gab mir die Sägeblätter und ich notierte mir seine Personalien. Dann gab ich ihm die Durchschrift des Protokolls und sagte ihm bescheid, dass er hier leider nicht mehr einkaufen dürfe. Und das wars.

Als ich das Ganze hinter mir hatte, ging ich erst mal auf den Parkplatz zum Auto und steckte mir eine an. Ich dachte über das Procedere nach und stellte mir vor, wie er nach Hause kam und seiner Alten sagen musste, dass er Scheiße gebaut hat. Vielleicht hatte er auch einfach keine Kohle dafür, aber danach sah er jetzt auch nicht aus. Oder er wohnte noch bei Mutti und hatte ihr versprochen, die Küche zu malern und weil sie ihn ohnehin nie für irgendwas lobt, hat er sich das selbst besorgt. Es gab so viele Szenarien die ich mir als Grund dafür ausmalte, dass auch ein paar richtig gute Gründe drunter waren und dann dachte ich, was solls, es ist ein Job wie jeder andere. Aber das war es natürlich nicht und die nächsten Wochen sollten mir recht geben.

Sie erwarteten im Durchschnitt mindestens einen pro Tag, den ich aus dem Laden ziehen sollte. Nicht nur aus dem, sondern aus jedem, in dem ich eingesetzt war. Wochenweise wechselten wir Detektive die Standorte untereinander, damit es nicht so auffiel, wenn immer die gleichen da rumlungern. Ich war im Baumarkt, dann im Drogeriemarkt, im Supermarkt und im Kaufhaus. Und dann wieder von vorn. Alle rotierten auf diese Weise in den einzelnen Märkten, außer Cem, der Türke. Der war immer im gleichen Kaufhaus eingesetzt, weil der Marktleiter keinen anderen außer ihm wollte. Es war immer noch ein Zweiter mit ihm im Kaufhaus, aber Cem war da jeden Tag. Er war der Star der ganzen Detektei. Niemand zog so viele Diebe aus dem Verkehr wie Cem. Vielleicht hätte er es in Berlin oder Köln schwerer gehabt, aber so komisch das auch klingt: In unserer Kleinstadt rechnete einfach kein Dieb damit, dass ihn ein Türke fängt. Racial Profiling mal anders rum.

Ich war am liebsten in diesem Kaufhaus. Ganz einfach schon deshalb, weil es hier am meisten zu sehen gab. In der Drogerie zogen sich die Stunden wie Kaugummi, aber hier war immer was los und ich beobachtete die schrägsten Dinge. Ich hatte ja Zeit. Und einer pro Tag war immer machbar. So wie man sich im Baumarkt an die Stichsägeblätter stellte, hatte man in der Drogerie die Kosmetikabteilung im Blick, im Kaufhaus die Umkleidekabinen und im Supermarkt die kleinsten Verpackungen, den Schnaps, die Kippen und die Süßigkeiten. Wenn gar nichts zu gehen schien, trieb man sich in der Abteilung mit den Süßigkeiten rum und wenn drei oder vier Schüler gleichzeitig drin waren, war es nur eine Frage der Zeit.
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Teil Zwei folgt!
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