Okay, es ist nun mal so. Das Leben läuft größtenteils digitalisiert ab und wenn wir ehrlich zu uns selbst sind, hat uns das nicht gerade weitergebracht. Ganz im Gegenteil. Was uns das Leben erleichtern sollte, hält uns auf, weil wir ständig damit beschäftigt sind, uns selbst zu organisieren. Unsere Selbstverwaltung, inklusive Online Shopping, Facebook, Instagram und Co, Freizeitgestaltung, Reisen und Hobbies, also genau das, was uns eigentlich entspannen sollte, artet zum Stress aus. Ich kann gar nicht so viel erledigen, wie es von mir erwartet wird. Aber alles Jammern darüber hilft nichts, solange man sich nicht freiwillig aus dieser Maschinerie ausklinkt. In manchen Teilen ist mir das sogar gelungen.
Mir ist aufgefallen, dass mir Materielles nicht wirklich wichtig ist. Es ist ja auch alles da. Ich strebte nie nach einem Neuwagen oder einem Eigenheim, aber ich umgebe mich gern mit schönen und nützlichen Dingen. Nun stelle ich fest, dass ich genug davon habe. In die Küche passt nichts mehr, was noch Sinn macht. Klar, ich kann mir für den Preis eines Kleinwagens noch immer den Kaffevollautomaten anschaffen, der alle möglichen Kaffeesorten auf Knopfdruck auswirft, vorausgesetzt ich denke regelmäßig daran, Kaffeesatz und Auffangschale zu leeren, Wasserfilter zu wechseln, das Mahlgetriebe zu warten und die Milchschläuche keimfrei zu halten. Ich kann aber auch einfach weiterhin einen Filter auf die Tasse setzen und heißes Wasser drüber gießen. Aber viel mehr fällt mir zum Thema Konsum nicht mehr ein. Alles, was ich brauche, besitze ich bereits. Alles, was ich mir jetzt noch zusätzlich kaufe, brauche ich eigentlich nicht. Bestenfalls kann ich schöne Dinge in noch schönere oder feine Dinge in noch feinere tauschen. Meine E-Mails oder der Werbecontent auf den Online-Plattformen drücken hingegen das genaue Gegenteil aus. Sie zwingen mich dazu, mich mit etwas zu beschäftigen, was ich nicht will. Sie versuchen es zumindest. Das einfach zu ignorieren, ist nicht leicht. Aber es tut gut!
Es gibt; oh lauschet der Weisheit des Alterns; noch anderes, dessen Wandel sich lohnte. Es ist unwichtig geworden, alles und jeden kontrollieren zu wollen und das ist etwas Wunderbares. Früher wäre ich ausgerastet, wenn ich mich in etwas begeben hätte, dessen Ergebnis ich nicht voraussagen konnte. Heute ist es vollkommen in Ordnung, den Tag zu starten und sich erst im Verlauf desselben zu entscheiden, wie er enden sollte. Die Einsicht, nicht alles „im Griff zu haben“ und das auch nicht zu können, lässt einen ungeheur wachsen. Wozu sich über Dinge aufregen, die man nicht ändern kann? Je mehr ich zulassen kann, je mehr ich das Leben nehme wie es kommt, desto zufriedener bin ich damit. Ich könnte mich drüber aufregen, dass meine Arbeit unfassbar ineffektiv organisiert ist, aber ich kann es nicht ändern. Genauso gut könnte ich mich übers Wetter ärgern mit genau dem gleichen Ergebnis. Ich lerne die Dinge anzunehmen, wie sie sind. Ich kann aber den Job wechseln, wenn mir danach ist.
Und überhaupt lohnt sich das Aufregen kein bisschen. Wenn mich früher etwas mächtig geärgert hatte, vermieste mir das die Stimmung für den Rest des Tages. Heute lasse ich den Unsinn und denke positiv, weil ich mir selbst der Wichtigste im Leben bin. Beispielsweise stand neulich jemand am Kiosk und rief völlig unmotiviert und ohne jeden Anlass „Ihr seid scheiße“ in Richtung unseres Dienstwagens über die Straße. Was will man so jemandem entgegnen? Also lässt man es doch lieber gleich sein, winkt am besten fröhlich zurück und ärgert sich nicht den Rest des Tages über irgendwelche Arschlöcher. Ich hab auch gar keine Lust mehr, perfekt zu sein oder politisch so korrekt, dass sich niemand auf die Füße getreten fühlt. Das funktionierte sowieso nie und hat mich nur behindert.
Und wo ich mich gerade so richtig warmschreibe, so lasst mich noch erzählen, dass es sich nicht lohnt, sich wegen irgendwelchen Fehlern selber fertigzumachen. Mach Dir klar: Was immer vorher war, Du kannst es nicht ändern (siehe oben), Du darfst Fehler machen (siehe oben), es ist gut so, dass Du nicht perfekt bist (siehe oben) und Du darfst zufrieden sein, mit dem was Du erreicht hast (siehe oben). Wenn ich mich für jeden Fehler anklagen würde, den ich im Leben begangen habe oder auch nur für die schrägen Sachen, die ich für Fehler halte, so käme ich aus dem tiefen Tal der Schuld nie wieder heraus. Warum sich selbst lähmen, warum sich immerzu fertigmachen? Das blockiert jegliche Möglichkeit der Schöpfung, denn am Ende des Tages sind wir es, die diese Welt durch unsere schöpferische Kraft gestalten. Es wird nicht besser, wenn wir immerzu darüber jammern, was hätte besser laufen können. Der Level für Fortgeschrittene heißt hier: Ich muss nicht besser als andere sein.
Ich könnte noch eine ganze Reihe dieser Dinge aufzählen, die mit der Zeit reifer werden. Und es geht mir gut damit. Die Erkenntnis darüber macht das Leben schöner und wertvoller. Allein schon die Tatsache, über etwas positiv zu reflektieren, macht mich glücklicher. Im Übrigen bin ich dafür dankbar. Das fühlt sich sehr, sehr gut an.
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